Sean McGuffin
ZUM LOBE DES POITÍN
Geschichten aus der irischen Schwarzbrennerei
Aus dem Englischen von Jürgen Schneider, Edition Nautilus Verlag Lutz Schulenburg, Hamburg, 1995, Taschenbuch mit Klappbroschur, 187 Seiten, ISBN-10 3 89401 255 2
VORBEMERKUNG
Noch ein Buch von länger her – 1995, und das Original von John aka Sean McGuffin (im Gälischen gibt es ja kein J) stammt schon aus dem Jahre 1978. Und eigentlich interessiert mich das alles nicht.
WORUM GEHT ES?
Um die Geschichte und Geschichten des Poitín, des vor allem in Irland schwarz gebrannten Whiskeys, der unter anderen Namen im Grunde genommen weltweit bekannt ist. Neben der Historie schreibt der Autor auch über das Verhältnis des illegalen Getränks im Verhältnis zum Gesetz, über die ungewöhnlichen Orte, an denen Poitín gebrannt wird, über Poitín und Amerika, über Lieder und Geschichten zu Poitín, über die Stellung gegenüber dem legalen Whiskey, über die Nebenprodukte des Poitín und über das »alte Handwerk« in der heutigen Zeit (Stand Ende der 70er, wie ich annehme).
WIE IST DER STIL?
Hinreichend routiniert, spannend und interessant, um jemanden wie mich, der weder Whiskey mag noch überhaupt trinkt, der sich nicht die Bohne für Irland interessiert und der auch mit Themen im Zusammenhang illegaler Aktivitäten in breiten Schichten des Volkes nichts am Hut hat, bei der Stange zu halten. Ich habe das Buch ganz gelesen – zugegeben, die gälischen Liedtexte habe ich mir gespart –, und auch, wenn mich das Thema nach wie vor nicht interessiert, hat es mich nicht gelangweilt.
WAS GEFIEL NICHT?
Die über das Buch verteilten Schwarzweißabbildungen, in der Regel Fotoreproduktionen, sind qualitativ eher schlecht und auch von den abgebildeten Motiven her wenig aufschlussreich.
WAS GEFIEL?
Einige der wiedergegebenen Geschichten waren richtig nett. Lesenswert. Und möglicherweise auch erzählenswert. Irische Schwarzbrennergeschichten eben, für ein Glas Poitín am Lagerfeuer bestens geeignet.
EIN PAAR ZITATE GEFÄLLIG?
Die folgende Darlegung, was Poitín alles bewirkt, mag vielleicht nicht ganz richtig erscheinen, zeigt aber im Grunde, welche Rolle dem Gesöff im Volke zugewiesen wurde:
»[…] Ein irischer Arzt unternahm es vor dreißig Jahren, die folgenden erstaunlichen Wirkungen des Aquavitae mitzuteilen: 1. er heilt die rissige Haut an den Händen; 2. er tötet Würmer; 3. er kuriert Kopfschmerzen; 4. verhindert das Altern; 5. stärkt die Jugend; 6. hilft bei Verstopfung; 7. löst das Phlegma; 8. vertreibt die Melancholie; 9. erfreut das Herz; 10. vertreibt den Grieß; 11. kuriert die Wassersucht; 12. heilt den Harndrang; 13. klärt den Geist und beflügelt die Sinne; 14. mindert das Gewicht; 15. lässt den Wind abgehen; 16. bewahrt den Kopf vor Schwindel.«
(Seite 11, »Poitín – Eine Einführung«)
Und auch das folgende Zitat zeigt das:
Aus Gesprächen mit Ex-Gefangenen erfährt man, dass heutzutage fast jeder Knast im Land seine Schwarzbrenner hat und dass es in den Frauengefängnissen Armagh und Limerick auch Schwarzbrennerinnen gibt. Je mehr man mit ihnen spricht, desto überzeugter wird man, dass einige Leute, selbst wenn sie an die Wand gekettet und in einem Verlies in IsoIationshaft gehalten würden, einen Weg fänden, ›den Stoff‹ zu produzieren. Wie sagt doch R. W. Grimshaw: »Die einzigen Beschränkungen werden dem Alkohol durch die Imagination auferlegt.«
(Seite 66, »Gefängnis-Poitín«)
Das letzte Zitat dreht sich um die Frage einer möglichen Legalisierung der Poitín-Brennerei; im Grunde kann man hier Parallelen zu der Frage sehen, ob (wenigstens milde) Rauschmittel (wie Marihuana) in Deutschland legalisiert werden sollten (wobei man sich im Klaren darüber sein muss, dass es bei dieser Diskussion im Grunde immer nur um den Konsum, nicht jedoch den Anbau, die Produktion geht):
Das führt mich zu der Frage, ob Poitín legalisiert werden sollte oder nicht. In dem Abschnizz über Connemara führt der Comharchumann Cois Fharraige (was übersetzt soviel heißt wie Kooperative nahe am Meer) die Gründe an, warum er legalisiert werden sollte. Ich bin allerdings dagegen. Gewiss ist es schändlich, dass die Regierung, egal welche, irgendwem vorschreiben will, dass er sich keinen Drink herstellen kann, wenn er es möchte. Alle Gesetze gegen das Brauen und Brennen in den eigenen vier Wänden sollten aufgehoben werden. Die Regierungsbehauptungen, diese Gesetze dienten dem Schutze der Gesundheit der Bevölkerung, klingen hohl, wenn wir uns anschauen, wie viel Steuern durch den Zigaretten- und Alkoholverkauf eingenommen werden. Regierungen sind auch nicht besonders auf Qualitätskontrollen erpicht, wo es ihnen opportun erscheint, wenn aber die Kooperative aus Connemara von der Legalisierung von Poitín spricht, denkt sie nur an ihre eigene Legitimierung. Würde die Poitín-Herstellung als ›cottage industry‹ in Connemara legalisiert, würden in der Grafschaft notwendigerweise ein paar Arbeitsplätze geschaffen, ich bezweifle aber, dass es 1.000 sein werden, wie Herr Lally behauptet. Dafür tauchten aber auch ein paar Probleme auf. Gegenwärtig ist der Verkaufsantrieb der Preis von ungefähr £2 die Flasche. Da keine Steuern gezahlt werden, erzielt der Hersteller einen großen Gewinn, und der Konsument macht ein Schnäppchen. Würde Poitín legalisiert, wären erhebliche Kapitalinvestitionen vonnöten, denn ich glaube kaum, dass die großen Destillateure es der Regierung gestatten würden, die Poitín-Industrie zu verstaatlichen. Poitín würde mit dem gleichen Prozentsatz besteuert wie gewöhnlicher Whiskey und könnte wegen der höheren Kosten, sich auf dem Markt überhaupt erst zu etablieren, nicht zum gleichen Preis verkauft werden. Das Hauptbestreben würde vermutlich darin liegen, sich einen Exportmarkt zu schaffen. Die Leute vor Ort könnten es sich nicht leisten, ihre eigenen Produkte zu kaufen, was würden sie also tun? Sich wieder in die Berge aufmachen und erneut schwarzbrennen.
(Seite 131 ff., »Poitín – Der wirkliche Stoff?«)
ZU EMPFEHLEN
Mangels eines wirklichen Bezugs zu dem Thema kann ich das nicht beurteilen. Ich werde das Buch einem Whiskey-Fan schenken, den ich kenne. Mal sehen, was er dazu sagt.
NOCH WAS?
Es wäre vielleicht nur noch zu erklären, warum ich ein Buch lese, das mich eigentlich nicht interessiert. Warum ich es überhaupt besitze.
Es war ein Geschenk. Aufhänger ist der Begriff Poitín, besser, seine Schreibweise, noch besser, seine Aussprache.
Ich bin Mitglied im Fantasy-Club e.V., zu dem die sogenannte Arbeitsgruppe FOLLOW gehört. Die Mitglieder FOLLOWs simulieren eine Welt namens Magira. Magira ist bewohnt von Völkern, und ich gehöre zum EinhornClan, dem Volk von Clanthon. Das Volk von Clanthon lebt in – sic! – Clanthon, und die zweitwichtigste Stadt des Königsreiches ist Peutin, in alten Schreibweisen auch Poitin oder Poiteen genannt. Und ich habe lange Jahre den Grafen der Stadt Peutin simuliert.
Nach der Lektüre des Buches weiß ich nun immerhin, welchen »historischen« Hintergrund der Name dieser simulierten magiranischen Stadt hat. Da wusste offensichtlich jemand damals Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts, als FOLLOW entstand, über das irische Schwarzbrennerprodukt Bescheid.