Alexander Knörr, Roland Roth (Hrsg.)
TERRA DIVINA
Auf den Spuren der göttlichen Lehrmeister
Ancient Mail Verlag Werner Betz, Groß-Gerau, 2012, DIN-A5-Bausparer-Paperback, 316 Seiten, ISBN 978 3 944198 17 0
VORBEMERKUNG
Man hat es nicht immer leicht. Meistens. – Alexander Knörr ist mir eigentlich eher suspekt, was seine schriftstellerischen Fähigkeiten angeht, während ich von Roland Roth einerseits weiß, dass er auf dem Sektor dieser Art von »Literatur« nicht nur ein großer Name war und ist – er hat, glaube ich, sogar mal ein einschlägiges Periodikum herausgegeben –, sondern auch ein Autor, der trotz aller thematischen Bedenklichkeiten eines einwandfrei drauf hat: das Schreiben.
Aus dem Stapel der noch vorliegenden Ancient-Mail-Verlag-Werke griff ich mir diese Sammlung – bei Kurzgeschichten würde man das als Anthologie bezeichnen – von Artikeln zu unterschiedlichen Themen, in der Hoffnung, durch die Abwechslung vielleicht auch die eine oder andere nicht ganz so übel aussehende Perle zu entdecken.
Nun ja …
WORUM GEHT ES?
Das Buch heißt »Terra Divina«, ergo »göttliche Erde« (ich habe diese Bedeutung nicht geprüft). »›Göttliche Erde‹ deshalb, weil es Tausende Hinweise gibt, dass unsere Erde vor Jahrtausenden von ›Göttern‹ besucht wurde, die uns Menschen nachhaltig beeinflussten und dann wieder verschwanden. …«
Alles klar, oder? Nun … mitnichten …
Das Buch ist in fünf große Kapitel aufgeteilt, denen unterschiedliche Artikel zugeordnet wurden. Diese Artikel sind größtenteils grenzwertig. Es macht sich bemerkbar, dass – im Gegensatz zu einem ganzen zusammengeschwurbelten Buch – bei einem umfänglich begrenzten Artikel die mangelhaften Fähigkeiten zahlreicher Autoren aus diesem Bereich, sinnvolle Argumentationen so zu formulieren, dass man sie nicht nur versteht, sondern dass sie auch eine gewisse Schlüssigkeit mit sich bringen, noch deutlicher zu Tage tritt, was vermutlich nicht nur, aber auch daran liegt, dass die Ermüdung des Lesers durch die gebetsmühlenartige Wiederholung seltsamer oder abstruser Weisheiten bei einem Artikel nicht so schnell und nicht so vollständig eintritt, wie bei einem Buch.
Seltsam sind auch manche Zusammenstellungen in den fünf Kapiteln. So referiert Alexander Knörr im Kapitel 1 »Mysteriöse Baukunst vor Jahrtausenden« gleich in zwei Artikeln über Steinkreise, einerseits in Senegambia (d. i. die Region des Senegals, Gambias und der Umgebung an der westafrikanischen Küste <klugscheißmodus off>), andererseits in Schweden; ein weiteres Mal hackt er auf Steinkreisen in Afrika herum, jedoch in Kapitel 2 »Verlorenes Wissen und uralte Spuren«. Die ersten beiden Artikel immerhin sind wenig interessant, weil nicht viel mehr als sinnlos scheinende Aufzählungen von Namen und nicht verortbaren Orten.
Die berühmt-berüchtigten »Cart Ruts«, Geleisespuren, dürfen natürlich nicht fehlen – diesmal sind die Azoren dran. Auch Knörrs Tankanlagenthema, zu dem er, wenn ich mich recht entsinne, sogar ein ganzes Buch verzapft hat, wird einmal mehr berücksichtigt. In beiden Fällen – die »Cart Ruts« betreffen ja auch Malta – ist an neuen Weisheiten nichts zu erkennen.
In manchen Artikeln finden sich Formulierungen, bei denen man sich fragt, ob man selbst eigentlich noch in der Lage ist, seine eigene Sprache zu verstehen. Wild treibt es z. B. Jürgen Huthmann in seinem Artikel »Die Kulturen vor den Inkas in Südamerika« (als ob es Inkas auch außerhalb Südamerikas gegeben hätte, ähm …), das Ganze in Kapitel 3 »Verschollen und vergessen«. Zur »Tairona Kultur« – traditionell und notorisch bindestrichbefreit – schreibt er z. B.: »Das Gebiet der CIUDAD PERDIDA oder verlorene Stadt der Tairona liegt in der Sierra Nevada bei Santa Maria am Rio Buritaca. Deshalb nennt auch der Chefausgräber Prof. Alvaro Soto Holguin sie so und hängt noch 200 daran, weil man ab 1976 bis 82 dort die 200. Siedlung oder Stadt lokalisiert hatte.« Aaahja.
Und was die »Kulturen um San Augustin« angeht, erkennt er nicht nur nicht, dass die »Radio Karbon 14 Methode« nicht nur nicht zuverlässig, sondern auch nicht bindestrichfrei ist. Aber egal: »Die in der Folge beschriebenen Skulpturen und Gräber könnten somit ebenfalls älter sein. Was ich eher annehme, da es sich um monolithische Anlagen und Statuen handelt. Bekanntlich ist das monolithische überall das Älteste und auch technisch Beste.« Meine Schenkel schmerzen jetzt noch vom Klopfen …
Ebenfalls in Kapitel 3 wagt Brien Foerster in seinem »Die Kinder des Viraocha – Kolonisation des Pazifiks noch vor den Polynesiern?« Übersetzungen um zwei Ecken: »Man übersetzt dies mit ›hotu‹ = ›Stern‹ und ›matua‹ = Vater, also Himmelsvater.«
Echte SF-Elemente liefert Pierluigi Peruzzi in »Atlantis im Saturnsystem – Die Lokalisierung des Standortes Atlantis aus einer ganz anderen Perspektive« (und ja, es ist der Saturn gemeint, den wir manchmal mit viel Glück und gutem Fernrohr am Himmel beobachten können). Er leitet seinen Artikel mit dem Absatz ein: »Der Saturnmond Titan ist zusammen mit der Erde einer von zwei Objekten mit einer Stickstoffatmosphäre. Die Existenz von Methanmeeren und anderen biologischen Stoffen auf dem Titan legen nahe, dass dort früher einmal erdähnliche Verhältnisse existiert haben könnten. Für mich persönlich sind dies sogar Beweise, die diese erdähnlichen Verhältnisse eindeutig nachweisen.«
Seine Einleitung beendet er dann mit einem echten Erkenntnisbrocken: »Ebenso halte ich die momentan gängigen Theorien zur Entstehung und Entwicklung des Lebens auf der Erde für falsch. Meiner Meinung nach ist es ganz sicher dass ältere Planeten auch vor der Erde mit dem Kambrium begonnen haben. Die Erde kann in der sachlichen Wissenschaft keine Vorzugsbehandlung erhalten. Dies steht im kompletten Widerspruch der mathematischen Wahrscheinlichkeitsrechnung. Die Behauptung, nur auf der Erde könne Leben entstehen, ist rein psychologisch und religiös zu betrachten.«
Ein Detailbeweis für die Lage Atlantis’ auf dem Titan ist laut Peruzzi: »Ein interessantes Detail, welches meine Theorie untermauert, ist die Tatsache dass weder ein Computer noch ein Bildschirm zu sehen sind« – es geht hier um ein Flugobjekt. »Man dürfte auf der Erde mit dieser Raumkapsel vielleicht 30 km hoch gekommen sein. Die starke Gravitation dürfte den Piloten wieder zurückgeholt haben. Sicher wäre dies auf Titan nicht passiert. Dort wäre ein Start wohl erfolgreich gewesen.« Man beachte: die Fähigkeit eines Flugobjektes, eine bestimmte Höhe zu erreichen oder zu überschreiten, ist von der Sichtbarkeit eines Computers oder Bildschirms abhängig. Gut zu wissen …
Den letzten Beweis dafür, dass die Atlanter dann vom Titan auf die Erde kamen, bleibt Peruzzi nicht schuldig: »Das untermauert meine Theorie mit der Erde als letztem Zufluchtsort. Die starke Gravitation der Erde dürfte die Schwächeren sehr schnell getötet haben. Noch heute haben wir Homo Sapiens Erectus im Alter unsere liebe Mühe an den Hüften und am Rücken und gehen trotzdem aufrecht.« Oh, mein Gott, ich bin ein Atlanter!
(Abschließend zum Titan-Thema sei noch erwähnt, dass Alexander Knörr im nachfolgenden Artikel ein »erdähnliches Gebiet auf dem Saturnmond Titan« entdeckt zu haben glaubt.)
Ich habe die meisten Artikel nur angelesen, manche nur überflogen. Der größte Teil der Artikel ist praktisch unlesbar.
Sylvia Lapp hat sich in »Mysteriöse Bilder und rätselhafte Mythen – Ameisen-Kachina im Overall?« sparsam gezeigt und nicht nur schlüssige Argumentationsketten, sondern auch den Lesefluss positiv beeinträchtigende Absatzschaltungen weggelassen. Ergebnis ist eine ermüdende Textwurst.
In »Monströse Mischwesen vor Jahrtausenden – Adam und andere Mischwesen aus der Hexenküche der Götter« liefert Walter-Jörg Langbein etwas ab, das ich nicht einmal ansatzweise verstanden habe: Alles, aber auch wirklich alles, was Religionen und religionsähnliche Doktrinen angeht, wird hier zusammengeworfen und -gewürfelt, und am Ende bleibt unklar, was eigentlich das Ziel dieser Buchstabenansammlung war.
Und selbstverständlich dürfen nicht nur die Pyramiden fehlen – siehe »Khufu oder Hermes? Wer erbaute die große Pyramide wirklich?« von Roland Horn –, nein, auch das Wissenschaftlerbashing findet seinen Platz: »Gern werfen Erzskeptiker den Satz aus dem Ärmel: ›Wenn man lange genug sucht und probiert, findet man schon irgend etwas, das einigermaßen passt. Und wenn es nicht ganz so passt, dann kann man es leicht passend machen.‹ – Treffer! Dies gilt nämlich für beide Seiten.« So jedenfalls Roland Roth in seinem Nachwort »Paläo-SETI vs. Wissenschaft? Schafft Wissenschaft Wissen? Oder: An die Möglichkeiten glauben!«.
WAS GEFIEL?
Nichts. Siehe vorher.
WAS GEFIEL NICHT?
Nichts. Damit einem etwas an einem Buch nicht gefällt, sollte es auch etwas geben, das einem gefällt. Siehe vorher.
ZITAT GEFÄLLIG?
Um Gottes willen, nein.
ZU EMPFEHLEN?
Um Gottes willen, keinesfalls.
NOCH WAS?
Um Gottes willen, wozu?