Weißbiertherapie

Tagebuch eines Ostseeurlaubs, 02.10.2011

Am Morgen fühlte ich mich ein wenig gerädert (und erinnerte mich daran, dass ich gerne zu künstlichen Untertreibungen neige). S. pumpte mich ein wenig mit homöopathischen Arzneimitteln voll (von denen ich später sogar annahm, dass sie durchaus wirkten, obwohl ich als Ex-Pharmagroßhandelskaufmann da immer so meine Zweifel hatte). Ich zwang mich, etwas zu frühstücken, um den Magen zu beschäftigen; zwei Milchschnitten, immerhin.
Wir machten uns dann auf die Socken, gen Ostseebad Rerik, wie es vollständig heißt. Parkplatz suchen, ganz am Ortsanfang; immerhin wurde man darauf hingewiesen, dass die innerörtlichen Parkplätze der Touristenentreicherung dienten. In den Ort laufen. Es war warm, mir war immer noch schwummerig, aber es ging.
Am Strand gab es scheinbar nichts für Hunde, außer Verbote, die noch dazu unklar formuliert waren. Sollten es nun gar keine Hunde sein, oder Hunde an der Leine, aber nicht ohne, oder nur die Leine ohne Hund? S. diskutierte, ich sollte immer Entscheidungen treffen, die ich nicht treffen wollte, und S. machte dann eh, was sie für richtig hielt.
In einem Café setzte ich mich in den Schatten, ließ mich noch ein wenig von S. dopen und nahm einen Seelachs, gebraten, mit Bratkartoffeln, der nicht ganz mein Fall war, aber doch halb rein ging. Das Erdinger war deutlich besser für meinen noch angeschlagenen Organismus.
Weiter Richtung Wustrow, wo sich früher die Russen rumtrieben und die Halbinsel wohl mit ihren unheiligen sozialistischen Kriegshinterlassenschaften für alle Zeiten zum Sperrgebiet gemacht hatten (die Vögel und andere Tiere freuen sich; das ehemalige Kasernengelände ist inzwischen Naturschutzgebiet), gab es dann einen Hundestrand. Klein, aber immerhin. (Auffallend: In manchen Gegenden an der Ostseeküste liegen die Hundestrandabschnitte immer direkt neben den FKK-Strandabschnitten; mir als Fan von »Pelle pur« würde das zu denken geben.)
Auf dem Rückweg überlegten wir, noch einmal einzukehren. Ich wollte mir noch ein Weißbier gönnen (von dem ich nicht nur ahnte, nein, wusste, dass es mir guttun würde). Aber die »Außenanlagen« der »Etablissements« waren gut besucht, und wegen Sonne und Wärme natürlich vor allem die Schattenplätze. Und in dem Restaurant, in dem wir schlussendlich landeten, wurden wir einfach ignoriert. Wir gingen dann.

Nächste Station war Kühlungsborn, dieses Ostseebad, das eigentlich aus mehreren früher eigenständigen Orten bestand, die von den Nationalsozialisten aber zu diesem Kühlungsborn verschmolzen wurden. (Notiz an mich: Ob das die Nazis waren, musst du noch mal checken. Kann auch die SED gewesen sein. [Und über die historischen Unterschiede zwischen beiden wirst du nicht referieren.])
Der Ort selber ist immer eine Katastrophe. Da ist nichts wirklich Schönes zu finden, nichts, was an Ortsgeschichte erinnern, nur Touristen- und Ostseebadscheiß. Der Verkehr an diesem herrlichen Spätestsommertag (eigentlich haben wir ja längst Herbst) war die Hölle, und so fuhren wir weiter zum Ostteil Kühlungsborns – auch eine Pleite –, und danach einfach noch ein Stück weiter Richtung Osten.
Schließlich landeten wir auf einem Parkplatz zum Haltepunkt einer Museumsbahn, die an der Küste verkehrt, eine richtige alte und schicke Bahn mit Dampflok und allem Drumherum. Der Parkplatz kostete ein bisschen was, ich glaube, zwei Euro. War okay. Wir sind dann runter, Richtung Strand, und vorher abgebogen, weil da ein Hinweisschild »Hundestrand« war. Der Weg war … ein toller Weg für Hasser von Radlfahrern. (Immerhin sind die Radlfahrer in Mecklenburg-Vorpommern höflicher als das Gesocks in Bayern: Sie klingeln, wenn sie sich von hinten nähern – oder geben anderen Laut – und sie bedanken sich, wenn man Platz gemacht hat.)
Als »Hundestrand Anfang« auf einem Schild vermerkt wurde, war der entsprechende Abgang längst nicht mehr existent (wenn er jemals bestanden hatte). Wir gingen weiter und kamen bei »Hundestrand Ende« an eine ordentlich gebaute Treppe, die wir hinunter gingen. Gute Frage am Rande: Wie sollten wir hinten wieder hochkommen? Mit Machete und Sherpas?
Wir gingen dann einfach weiter, bis wir zu der Treppe kamen, die direkt an dem Parkplatz nach unten geführt hatte. Dort gab es zwei Imbissbudenwagen, und an dem einen, größeren ließen wir uns nieder. Ich bekam mein Erdinger und war einmal mehr glücklich. Nicht zuletzt, weil dieses bayerische Gesöff – vermutlich durchaus gemeinsam mit den homöopathischen Drogen meiner S. – für eine erkennbare Stabilisierung meines Metabolismus’ gesorgt hatte.

An der Tankstelle in Neukloster kaufte ich noch drei Dosen Paulaner Weißbier für die Abenddosis (von denen ich nur zwei verbrauchte), und fragte die Tankstellenchefin, wo man gut essen gehen könnte, in Neukloster. (Man muss dazu wissen, dass Neukloster nicht wirklich groß ist; in Murnau ist man in allem und jedem besser bedient.) Sie machte ein paar Vorschläge, wir entschieden uns für ein Seerestaurant »Schöne Aussicht« (was nicht gelogen war), direkt an der (ehemaligen) Männerbadeanstalt Neukloster (heute dürfen auch Frauen rein). Es hat sich gelohnt. Ich war vorsichtig und beschränkte mich auf einen einfachen Salat – plus Weißbiergarnitur, versteht sich; S. gönnte sich Umfangreicheres, aber schlecht war es nicht (Wels mit Penne, es störte sie nur, dass es überbacken war, das passte wohl irgendwie nicht). Die Karte des Restaurants ist recht klein, und interessanterweise ist der Wels als Fischgericht auf derselben weit verbreitet.

In der Nacht schlief ich gut.

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