Dünnpfiff, klug

Wibke Seifert
MITTEN IM MEER
Amüsante und kuriose Geschichten aus Malta
Rolf Thum Larimar Verlag, Hockenheim, o. J., Taschenbuch, 120 Seiten, ISBN 978 3 931569 26 6

Das Buch stand schon ein Weilchen auf meiner Amazon-Wunschliste, die ich eher unregelmäßig abarbeite. Da mein SUB – der »Stapel ungelesener Bücher» – derzeit deutlich erkennbare Schwundtendenzen vorzuweisen hat, habe ich das Stück kürzlich einfach mal mitbestellt, angelegentlich des Kaufs des Romans »Maltamaniac«, den ich hier ja auch schon besprochen habe.

Vorneweg: Verarbeitung gut, Layout mit Patzern und zwei, drei Dingern, die einfach nicht hübsch aussehen, Korrektorat wurde gemacht, ein Lektorat auch – oder die Fähigkeiten der Autorin befinden sich auf grundsätzlich angenehm hohem Niveau.
Oder auch nicht … Denn eigentlich lässt der Inhalt des Buches größtenteils daran zweifeln, dass die Autorin wirklich gut ist. Gut schreiben zu können, das bedeutet ja noch nicht, dass auch die Ideen gut sind. Und in diesem Falle muss sich die Schreiberin erhebliche Zweifel gefallen lassen.
Das Dilemma beginnt mit dem Untertitel des Buches: Amüsante und kuriose Geschichten aus Malta werden versprochen. Wozu überhaupt? Nunja, für deutsche Leser, die mit Malta nichts anfangen können. Denn so sind auch die Geschichten angelegt – für deutsche Leser, die noch nie auf Malta waren und noch nie etwas darüber gehört haben. Eine ganze Reihe Geschichten ist nichts anderes, als heruntergenudeltes Reiseführerwissen, nur anders verpackt. »Salvu, der Mann im Kazin Banda« zum Beispiel ist so eine Geschichte. Da geht es um einen Mann in einem Kazin Banda, der Touristen, die sich dorthin verirren, die maltesische Geschichte in groben Zügen und mit subjektiven Einfärbungen präsentiert. Lässt man die konstruiert-subjektiven Einfärbungen einfach weg, hat man den Baedeker, den die Autorin am Buchende auch als eine Lektüre empfiehlt.
Andere Geschichten gehen auf Maltas EU-Mitgliedschaft ein. Allerdings ist die Tatsache, dass die Importweine nun preisgünstiger sind als vorher, weder amüsant noch kurios; amüsant ist vor allem aber auch die Erkenntnis nicht, dass die deutsche Autorin, die – laut Vita – auf Malta lebt, wohl auch der in meinen Augen falschen Ansicht – aus Reiseführern? – unterliegt, maltesische Weine taugten nichts. Kurios ist auch nicht das in einigen Brieflein dargelegte Problemchen mit der italienischen Milch Marke »Sole«, die mal zu kriegen und mal nicht zu kriegen ist, weil sich die maltesischen Milchmacher natürlich von den Italienern den Markt nicht wegnehmen lassen wollen. Mag sein, dass die italienische Milch besser ist – vor allem wohl für den verwöhnten deutschen Geschmack, bei dem ja mit 1,5%iger Milch eh nur was geht, wenn man auf dem Diättrip ist und der für immer noch weniger Geld immer noch mehr Qualität und Geschmack haben will. Mag also sein, dass den Deutschen auf Malta die »Sole« abgeht – aber ist das amüsant?
Wieder andere Geschichten präsentieren genau das Deutschtum – Zeige- und Stinkefinger der rechten Hand bitte zusammengelegt senkrecht unter die Nase halten –, das man allerorten erwarten kann. Natürlich darf eine Geschichte nicht fehlen, in der es um die maltesischen Jäger geht – und richtig, es sind sogar zwei Texte, die sich darum bemühen, deutsches Denken auch in den (Hohl-?) Köpfen der maltesisch völlig unbeleckten Deutschen stand- und treffsicher aufrechtzuerhalten, auf dass deutsches Denken niemals wanken möge. Ich habe mir bei der Geschichte »Jagdsaison« nur gedacht: »F**k, was für ein A****loch!« Es geht um eine Deutsche auf Malta – sic! –, die mit ihrem Hund Gassi geht, wie sich das gehört – Hunde müssen halt unabhängig von allen Nationalitäten ihr Geschäft erledigen können –, und sie gerät dabei mit Jägern in deren Jagdrevier aneinander. Das Theater, das entsteht, wäre filmreif; ich bin nur unsicher, ob es sich in einem kabarettistischen Filmwerk von Gerhard Polt besser macht, oder in einem Splattervideo, bei dem die Jäger gen Filmende die Protagonistin fachgerecht zerlegen.
Auch andere, deutsch-aktuell betrachtete Themen fehlen nicht, z. B. die Problematik der »illegalen« Immigranten aus Nordafrika, wie auch der allerorten auf Malta zu findende Dreck, der schreckliche Verkehr und weitere, typische Kleinigkeiten. (Vermisst habe ich allerdings die Katzen und Hunde, die aus allergrößter Not gerettet werden müssen; erwähnt wurde das Thema am Rande dennoch: im Zusammenhang mit irgendwelchen Bekannten, die nach Sizilien wollten, um sich dort einen Hund zu beschaffen …)

Kurios ist keine der Geschichten, so viel ist sicher; jedenfalls verstehe ich unter Kuriositäten etwas anderes.
Amüsant sind die Geschichten größtenteils auch nicht; zwei, drei Mal gelingt es vielleicht, zu schmunzeln, mehr aber auch nicht.
Abgesehen von den erwähnten, durchschimmernden Deutschdünkeln sind die Texte wenigstens ordentlich zu lesen; ein übler oder unlektorierter Schreibstil hätte das Buch praktisch ungelesen ins Regal wandern lassen (incl. Post-it-Aufkleber als Warnhinweis).
Immerhin fand ich das Buch stellenweise wenigstens informativ. Formulierungen aus dem maltesischen Sprachgebrauch zum Beispiel, die fand ich interessant – unterstellt, sie stimmen auch. Denn die Behauptung, das einem Konsonanten vorangestellte »M« im Malti würde wie »Em« gesprochen, ist eindeutig falsch; es heißt nicht »Em-dina«, sondern »Im-dina«, wenn man »Mdina« ausspricht.
Und andere Informationen stimmen ganz offensichtlich nicht oder sie sind veraltet; wobei zu letzterem Problem das weitere Problem hinzukommt, dass an dem Buch nicht erkennbar ist, wann es geschrieben wurde. Manch Wissen jedenfalls ist nicht gut platziert und präsentiert: Die hohe Bevölkerungsdichte Maltas mit der der Niederlande – Platz 2 unter den EU-Mitgliedern – zu vergleichen, führt dazu, dass ein Nichtkenner Maltas denkt, dass die ganzen maltesischen Inseln rundherum mit Menschen vollgepackt sind. Oder: Der Ritterorden war und ist kein »Hospitalorden«, sondern ein »Hospitaliterorden«; und den Namen »Malteserorden« behielt nicht der Ritterorden bei, sondern er wird im Sprachgebrauch der Einfachheit halber so genannt. Und bei der Fragestellung, wo genau Paulus 60 n. Chr. nun Schiffbruch erlitt, hätte man die inzwischen wohl sittsam bekannten Arbeiten des Heinz Warnecke erwähnen können, nein, müssen.

Insgesamt ist zu hoffen, dass sich das Buch nicht verkauft. Denn die Ahnungslosen, die diesem Buch aufsitzen, werden genauso ahnungslos von den maltesischen Inseln wieder heimkehren; es wäre allenfalls zu hoffen, dass sie daraufhin auch die Entscheidung treffen, Malta nie wieder zu besuchen. Für jemanden, der Malta kennt, ist das Buch jedenfalls Geldverschwendung, denn nichts daran ist amüsant oder kurios, sondern insgesamt einfach nur dumm und in höchstem Maße ärgerlich.
Wenn man wirklich amüsante und kuriose Dinge über Malta wissen will, dann schaut man sich am besten im Internet unter dem Stichwort »Only in Malta« um; da gibt es einige interessante Bild- und Materialsammlungen. Und was wirklich Wissenswertes angeht, so hält man sich am besten an die wirklich guten Reiseführer (von denen die Autorin immerhin den Bussmann erwähnt):

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Michael Bussmann: Malta, Gozo und Comino Werner Lips: Malta, Gozo, Comino

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